Wie Zellen die richtigen Partner finden – Studie zeigt

Wie Zellen die richtigen Partner finden - Studie zeigt

Forscher der Universität Freiburg finden heraus, dass die Affinität zwischen Zellen komplexe Entwicklungsprozesse steuern kann.

Während des Wachstums und der Entwicklung lebender Organismen müssen verschiedene Zelltypen miteinander in Kontakt treten, um gemeinsam Gewebe und Organe zu bilden. Ein kleines Team um Prof. Dr. Anne Classen vom Exzellenzcluster CIBSS – Center for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg hat nun herausgefunden, dass komplexe Formänderungen während der Entwicklung ausschließlich durch die Affinität der Zellen zueinander gesteuert werden. 

Die Forscher untersuchten Eikammern von Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) und kombinierten genetische Methoden mit mathematischer Modellierung. Die Studie wurde im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Komplexe organisatorische Abläufe in der Eierkammer

„Wir wollten herausfinden, wie sich verschiedene Zelltypen zu funktionellen Einheiten organisieren“, fasst Dr. Vanessa Weichselberger, Erstautorin der Studie und Mitarbeiterin in Classens Arbeitsgruppe, das Ziel ihrer Forschung zusammen. „Die Eikammer ist dafür ein gutes Beispiel, denn in ihr müssen unterschiedliche Zellpopulationen ihrer Funktion entsprechend zusammenkommen.“ Die Eikammer ist die Struktur, in der ein Ei reift, bis es zur Befruchtung bereit ist. 

Bei Drosophila ähnelt es einem winzigen Fußball: Im Inneren befindet sich auf der einen Seite das wachsende Ei und auf der anderen Seite 15 Ammenzellen, die das Ei mit Nährstoffen versorgen. Um ein Ei zu produzieren, muss die Eizelle reifen, während die Ammenzellen schließlich abgebaut werden.

Beide Prozesse, die Reifung der Eizelle und der Abbau der Ammenzellen, hängen von einer äußeren Schicht aus Epithelzellen ab. Dazu werden die Epithelzellen in spezialisierte Gruppen eingeteilt, die aufgrund ihrer Funktion entweder mit den Nährzellen oder der Eizelle in Kontakt stehen müssen. 

Diese Partnerfindung zwischen innerer und äußerer Zelle ist ein komplexer Prozess, der abläuft, während sich gleichzeitig die Größenverhältnisse im Inneren ständig ändern. „Welche Mechanismen solch einen dynamischen Prozess robust kontrollieren können, war bisher unbekannt“, sagt Classen.

Es steuert den Zellzusammenhalt

Die Forscher hatten beobachtet, dass Epithelzellen, die auf den Abbau von Ammenzellen spezialisiert sind, sich auf ihnen ausbreiten und abflachen. Dabei bilden sie eine besonders große Kontaktfläche zu den darunter liegenden Zellen. 

„Das könnte durch eine erhöhte Affinität zwischen den beiden Zelltypen erklärt werden“, erklärt Weichselberger. „Wir stellten daher die Hypothese auf, dass die Partnersuche durch einfache mechanische Anziehungs- oder Abstoßungsprozesse erklärt werden könnte.“ 

Eine erhöhte Affinität von einem spezialisierten Teil der Epithelzellen zu den Ammenzellen würde dann dazu führen, dass die verbleibenden Epithelzellen von den Ammenzellen verdrängt werden und mit dem Ei in Kontakt kommen. 

Die Forscher fanden heraus, dass Eya, ein Protein, das die Aktivität von Genen steuern kann, das Kontaktverhalten zwischen Epithel- und Ammenzellen beeinflusst. Wenn die Forscher die Konzentration von Eya in Epithelzellen erhöhten, vergrößerten sie ihre Kontaktfläche mit Ammenzellen; Wenn sie Eya ausschalteten, minimierte sich der Kontaktbereich.

Die Affinität von Zellen ist entscheidend für die Entwicklung

Um ihre Hypothese zu testen, verwendeten die Entwicklungsbiologen mathematische Modelle. Dazu kooperierten sie mit Prof. Dr. Patrick Dondl von der Fakultät für Mathematik und Physik der Universität Freiburg. Dondl erstellte Computermodelle, in denen unterschiedliche Grade mechanischer Affinität zwischen Zellen simuliert werden konnten. 

„Durch die mathematische Modellierung konnten wir zeigen, dass eine Änderung der Affinität in Abhängigkeit von Eya-Leveln ausreicht, um den komplexen Prozess der Partnerfindung zu steuern“, erklärt Weichselberger. 

„Das bedeutete, dass wir Eya als Stellschraube verwenden konnten, um die Partnerfindung genetisch zu kontrollieren.“

„Extrem flexibel und robust“

Indem die Eya-Konzentrationen in Epithelzellen genetisch verändert und diese Experimente parallel auf einem Computer simuliert wurden, konnten die Forscher testen, ob die Eya-regulierte Affinität zwischen Epithelzellen und Ammenzellen für die Partnerfindung verantwortlich ist. 

Sie fanden heraus, dass es allein durch die Manipulation von Eya möglich war, gezielt zu steuern, welche Epithelzellen sich auf die Nährzellen ausbreiten und welche Epithelzellen mit der Eizelle in Kontakt kamen. Dies zeigte, dass Eya durch die Regulierung der Affinität der Hauptregulator der Partnerfindung zwischen Epithelzellen und Ammenzellen bzw. Eizelle ist. 

Das überraschte auch Classen, der die Studie leitete: „Spezifische Affinität reicht als Mechanismus in der Tat aus, um solch komplexe Entwicklungsprozesse zu steuern. Und das äußerst flexibel und robust, unabhängig vom Volumen der Eikammer.

Ähnliche Prozesse beim Mann

Dieser Mechanismus ist nicht ausschließlich auf die Eikammer beschränkt: Die Spermienentwicklung im Drosophila -Männchen ist auch von Eya abhängig, das auch die Affinität zwischen inneren Spermien und äußeren Epithelzellen steuert. 

Ob die Ergebnisse auf andere Tiere oder Menschen übertragbar sind, ist unklar. Aber die vergleichbare Struktur und Entwicklung der Eikammer bei anderen Arten lässt dies möglich erscheinen.

Originalveröffentlichung